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Lena Pflipsen: „Eine Flucht, viele Menschen und mittendrin ICH"

Wer ich bin? Ich bin Lyra. Ein ganz normales ,15 jähriges Mädchen.-Zumindest
von außen. Denn ich sehe die Welt mit ganz anderen Augen als die meisten
anderen in meinem Alter. Vor jeder Ecke habe ich Angst, dass hinter der Ecke
jemand auf mich wartet und mir etwas antun will. Abend noch schnell allein in
den Club gehen? - Eher nicht. Denn ich habe Angst, dass ein Verbrecher die
Dunkelheit ausnutzt.

Ich bin erst 15 und habe trotzdem schon mehr erlebt als mancher Erwachsener.
Aber wer jetzt an eine Weltreise, Besuche in vielen Freizeitparks und große,
teure Shoppingtouren denkt, der hat falsch gedacht. Ich kann nämlich nicht
wirklich behaupten, dass ich eine schöne Kindheit hatte. Oft saß ich abends
zusammen mit meiner Familie in einer kleinen, dunklen Kammer um mich zu
verstecken. Meine Mutter erzählte mir dann immer eine Geschichte und sagte,
dass alles gut werde. Doch ich kann mich noch genau an kleine, glitzernde
Tränen in Ihren Augen und einen Ausdruck von Verzweiflung in Ihrem Gesicht
erinnern.

Letztendlich kann ich sagen, dass „alles gut“ geworden ist, doch das Trauma
bleibt und wird mich noch ewig verfolgen. Beim Einschlafen höre ich manchmal
immer noch laute Schüsse und das Sinken von Gewehren. Bei diesem
Gedanken zucke ich noch immer zusammen. Auch Leuten zu vertrauen fällt mir
sehr schwer. Woher weiß ich, dass diese mich nicht nur ausnutzen wollen? Seit
meiner Flucht aus Syrien bin ich mit allem etwas skeptisch, vor allem was eben
andere Menschen angeht. Zwar habe ich jetzt ein festes und sicheres Zuhause,
aber dennoch fällt mir der Neuanfang schwer. Die neue Stadt, die neue Schule
und dazu noch meine Angst. Manchmal wird mir das alles zu viel, doch mir hilft
es dann, daran zu denken, wie viel Glück wir doch hatten. Schließlich konnte ich
zusammen mit meiner ganzen Familie fliehen und niemand hatte ernste
Verletzungen. Wir sind jetzt seit einem knappen Jahr hier und langsam habe ich
mich an unsere Kleinstadt gewöhnt. Außerdem habe ich erkannt, dass ich nicht
alleine mit meinen Problemen und meiner Angst bin und das es gut tut darüber
zu sprechen. Einmal die Woche gehe ich deshalb zu Therapeuten die mir helfen
meine Angst zu überwinden. Ich habe schon vieles ausprobiert, ob Tagebuch
oder Kummerkasten, so ganz konnte mir noch nichts helfen. Aber ich bin mir
sicher, dass ich es schaffen kann! Ich versuche mehr Kontakt mit anderen
Menschen aufzunehmen, denn nur zusammen sind wir stark! Meine Familie

unterstützt mich und auch meine kleinen Geschwister machen mir Mut. Sie
haben sich hier in Prüm schon sehr gut eingelebt und haben auch schon mal
Freunde in unsere kleine, aber doch gemütliche und Hoffnung machende
Wohnung eingeladen. Klar, sie haben die Flucht mit Ihren 2 und 3 Jahren noch
nicht richtig wahrgenommen, aber trotzdem haben sie Ihr Leben
umgekrempelt und ein neues besseres Leben angefangen. Dasselbe sollte auch
ich probieren und ich bin auch schon auf einem Weg der Besserung.
Mittlerweile traue ich mich abends wenigstens schon mal den Müll
rauszubringen oder in einer Freistunde mit Klassenkameraden ein Eis zu essen.
Ich hoffe, dass sich mein Trauma immer mehr bessern wird, damit auch ich
mein Leben endlich genießen kann. Bis dahin wird es noch ein langer
Weg sein. Das weiß ich genau, aber ich kann es schaffen, wenn ich nur will. Und
nichts wünsche ich mir sehnlicher, als ein normales Leben zu führen und meine
Vergangenheit endlich hinter mir zu lassen. Ich weiß, ich muss dafür kämpfen,
aber das werde ich auch tun. Und dann hatte meine Mutter doch recht, dann
ist alles gut!

Begründung der Jury: In dieser Geschichte ist das Thema "Neuanfang" auf eine unter den Einsendungen einzigartige Weise umgesetzt - sie greift ein gesellschaftlich wichtiges Thema auf und erzählt sehr empathisch von einem großen persönlichen Neuanfang. Sprachlich ist sie sehr gut gestaltet, und gerade die Ansprache der Leserin/des Lesers ist besonders. Die Erzählung hat eine klare Struktur, und schlägt am Ende einen schönen Bogen zum Beginn.
Öffnungszeiten

Dienstag und Mittwoch:
10.00 - 13.45 Uhr und
15.00 - 18.00 Uhr

Donnerstag:
15.00 - 18.00 Uhr

Freitag:
10.00 - 13.45 Uhr

Kontakt

Zentralbücherei Prüm
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54595 Prüm

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Telefon: 06551 965812
Telefax: 06551 965813